P O R T R A I T S 
On the Road to…

g r o u p   e x h i b i t i o n

          Georg Eger, Me in a spiral staircase, 2013


opening June 06, 2013 6-8 pm

duration July 06, 2013

 

The Vienna City Gallery Walk through the 1st district will also take place on June 6th from 4 to 9 pm.

 

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Portraits – On the Road to… 

Das Porträt ist eine kunsthistorisch und -theoretisch höchst aufgeladene
Gattung – im Rahmen der Ausstellung ist der Begriff aber weniger im engeren Sinn einer mimetischen Darstellung individueller Personen zu verstehen, die das Gesicht fokussiert. Vielmehr geht es um eine Hervorhebung individueller Erlebnisse und Situationen der sieben KünstlerInnen, die aus unterschiedlichen Kulturkreisen stammen und viel auf Reisen sind. Der Zusatz On the Road
to….weckt Assoziationen mit dem Roman von Jack Kerouac On the Road (1957) oder mit dem Song On the Road to Freedom von Alvin Lee und Mylon LeFevre (1973), das Ziel ist dabei bewusst offen gelassen.

In zahlreichen fotorealistischen Ölgemälden der letzten Zeit hat sich Georg Eger mit dem anonym bleibenden Menschen auseinandergesetzt, der als Schattengestalt ein urbanes Umfeld bevölkert. Als Silhouetten treten diese
Gestalten mitunter in den dreidimensionalen Raum und fristen ihr flaches Dasein über Möbel oder an Wände gehängt. In neueren Arbeiten zeigt sich der Künstler selbst aus ungewöhnlichen Perspektiven: In strichlierten Zeichnungen
(etwa in einer Aufsicht auf einer Wendeltreppe) oder als Umriss mit Acryl auf eine Müllsackfolie gemalt – ein zeitgenössisches städtisches Vanitas-Motiv.

Im Werk von Seontae Hwang spielt das Material Glas eine zentrale Rolle: transparent, fragil, starr und spröde, manchmal spiegelnd und Licht reflektierend, ist es ein äußerst vielseitiger Werkstoff, als Bildträger oder plastisches Gestaltungsmittel verwendbar. Wiederkehrende Sujets seiner Arbeiten sind scharf konturierte menschenverlassene Innenräume, in die Licht fällt, oder unscharfe Szenerien, in denen der Mensch – sofern er überhaupt erscheint – stark zurückgenommen wird. Ein Nivellieren der Dinge findet dadurch statt, eine Annäherung des Belebten und Unbelebten. 

Miye Lee hat eine Serie von Kinderporträts in Acryl hergestellt, darunter auch erstmals ein Selbstporträt. Diese Arbeiten stehen in einer gewissen Spannung zu anderen Werken, in denen die Künstlerin ein abstrakt wirkendes, farbintensives Formvokabular entwickelt hat. Sind dort Kreise und geschwungene Striche in räumlicher und farblicher Fülle bestimmend, sind in ihren zeichnerisch-präzisen Porträts die Farben und Gestaltungselemente stark reduziert – oftmals schwebt nur der isolierte Kopf einer Person im sonst unbestimmten Bildraum.

Die Acrylbilder von Catarina Lira Pereira haben Momente ihres Lebens zum Gegenstand, mit denen sie eine besondere emotionale Bindung unterhält, oft in Zusammenhang mit Freundschaften. Die Darstellungen werden allerdings von länglichen vertikalen oder horizontalen Elementen überlagert (oder richtiggehend zerfurcht), die an Vorhänge bzw. Jalousien erinnern. Dadurch wird mitunter eine irritierende Wirkung evoziert, die eine Reflexion über
das Verblassen oder die Auslöschung von Erinnerung und über den Realitätsstatus unserer eigenen (vermeintlichen) Erinnerungen anregen kann.

Die Künstlerin Elizabeth Peyton ist bekannt für ihre kleinformatigen Porträts in verschiedenen Techniken (Ölmalerei, Aquarell, Zeichnung, Druckgraphik), die den Großteil ihres Werkes ausmachen. In ihnen zeigt sie entweder nahe
Bekannte oder berühmte (historische wie zeitgenössische) Persönlichkeiten, wobei die Schnappschüsse von Freunden, oft aber auch stilisierte Bilder aus Glamour- und Hochglanzmagazinen die Ausgangspunkte bilden. Kriterium der Wahl ist das Leben einer Person, ihre Wirkung in der Öffentlichkeit im Allgemeinen und auf die Künstlerin im Besonderen. 

Bartosz Sikorski ist in der Ausstellung mit Arbeiten aus seiner Serie der Selbstporträts vertreten, die ihren Ursprung in Hotelzimmern haben – immer wenn der Künstler (der auch als Musiker arbeitet) auf Reisen ist, benutzt er die in diesen Zimmern bereitliegenden Utensilien (Hotelpapier, Bleistifte, Kugelschreiber), um vor dem Spiegel schnell ein Porträt von sich zu zeichnen, das seinen momentanen Gefühlszustand zeigt. Ausgestellt sind aber nicht die Originale selbst, die meist A4-Format haben, sondern mittels Beamerprojektion vergrößerte und nachgezeichnete Versionen, in denen Sikorski sowohl die Aufdrucke als auch seinen eigenen Strich nachahmt – er fälscht sich quasi selbst.

Seit 1998 verwendet Fabio Zolly in seinen Arbeiten den Schriftzug bzw. das Zeichen Copyright in Verbindung mit seinem Namen. Er erhebt damit urheberrechtlichen Anspruch auf alles, was mit diesem Schriftzug/Zeichen markiert wird – eine Form der Aneignungskunst. Vielfältig sind die Anwendungsgebiete dieser Markierung – in neueren Werken präsentiert er sich selbst auf Reisefotos mit einem Copyright-Schild vor seinem Gesicht, auf dem er zusätzlich seine bloße Anwesenheit zur Kunst erklärt. Eine paradoxe Situation: Zolly lädt sich als urhebende Künstlerpersönlichkeit auf und anonymisiert sich gleichzeitig, indem er mit dem Schild sein Gesicht verdeckt.
Die sieben künstlerischen Positionen umkreisen jeweils auf eigene Art die Gattung Porträt, gehen dabei aber meist über deren engeres Verständnis als unmittelbare Darstellung einer identifizierbaren Person hinaus. Der Mensch in
seiner Individualität wird zurückgenommen (Hwang), verdeckt (Pereira und Zolly) oder gänzlich anonymisiert (Eger). Manchmal wird der Umgebung des Dargestellten deutlich mehr Raum gegeben als dem Gesicht selbst (Lee). Oder an die Stelle einer unvermittelten, spontanen Darstellung treten Bilder aus Magazinen (Peyton) und Prozesse der Selbstfälschung (Sikorski). 

– Gabriel Hubmann

* Gabriel Hubmann hat in Wien Kunstgeschichte und Philosophie studiert und ist zurzeit als freier Autor tätig. Er hat mehrere Aufsätze zu moderner und zeitgenössischer Kunst publiziert und ist Träger des Ernst-Gombrich-Nachwuchspreises 2012.